Die gute Nachricht: Caetano Veloso und Susana Baca kommen in die Hall of Fame der Weltmusik. Die schlechte: die Königin des Samba, Elza Soares, ist gestorben. Außerdem haben wir ein paar Neuerscheinungen für euch.
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Na also! Gleich zwei der jüngst hier besprochenen lateinamerikanischen Stars sind jetzt in die neu gegründete, virtuelle Transglobal World Music Hall of Fame aufgenommen worden: der brasilianische Liedermacher Caetano Veloso und die peruanische Singer / Songwriterin, Musikethnologin und Kulturpolitikerin Susana Baca. Hat lange gedauert, bis es in der Weltmusik auch mal eine „Hall of Fame“ gibt. Schön, dass Lateinamerika da entsprechend gewürdigt wurde.
Die „Königin des Samba“, ja sogar die „Sängerin des Jahrtausends“ – so einige ihrer Würdigungstitel – ist tot: Elza Soares ist am 21.01.2022 mit 91 Jahren gestorben. Selbst in hohem Alter war sie sich nicht zu fein, mit Jazz-, Hip Hop-, Electronic- und Funk-Musikern zusammenzuarbeiten. Sie veröffentlichte mehr als 30 Alben. 2020 bekam Elza Soares beim Karneval in Rio de Janeiro von der Sambaschule „Mocidade“ ihren eigenen Umzug im Sambodrom. Außerdem war sie eine feministische Ikone. Geboren wurde Soares im Juni 1930 in einem Armenviertel in Rio de Janeiro. Mit zwölf Jahren wurde sie verheiratet, mit 13 war sie Mutter und mit 21 Witwe. 1959 gelang ihr Durchbruch. In den 1960ern prägte sie den Samba mit ihrem rauen Gesangsstil. 2019 veröffentlichte sie zuletzt das Album „Planeta Forme“.
Zu den Neuerscheinungen:
Cumbia Chicharra – „El Grito“
Cumbia Chicharra, Broken Silence
Frankreich, Kolumbien / Cumbia
Man stelle sich vor, die Kastelruther Spatzen würden ihre Südtiroler Volksmusik mit Dub-Echos, Rap-Einlagen und psychedelischem Geblubber aufpimpen. In Lateinamerika bzw. bei der Cumbia ist das selbstverständlich, so auch bei der französischen Truppe Cumbia Chicharra. Beim ersten Titel ihres Albums „Fugitivo“ fühlt man sich gar an die ähnlich orientierte New Yorker Band Combo Chimbita erinnert, doch wirken die weiteren Titel traditioneller. Dafür sind die Franzosen tanzbarer und machen in einigen Tracks auch ganz schön Tempo. In „Chikilin“ hören sich die Bläser zudem etwas nach Balkan Brass an und ab und zu taucht auch ein Akkordeon auf.
Horace Andy – „Midnight Rocker“
On-U Sound, Rough Trade
England / Reggae
Zwei Namen mit entsprechendem Nimbus begegnen sich auf dem Album „Midnight Rocker“: Reggaesänger Horace Andy und Produzent Adrian Sherwood. Mit Andy verbindet man seine Falsettstimme und seine späte Karriere in England, als er von Massive Attack entdeckt und immer wieder zu ihren Alben und Tourneen eingeladen wurde. Sherwood dagegen gilt als Irrwisch am Mischpult; Produzent, Remixer und Inhaber des legendären Dub-Kollektivs und Plattenlabels On-U Sound. Allerdings fällt diese Begegnung vergleichsweise unspektakulär aus. Es wirkt eher so, als wollte Andy nur ein gutes Reggae-Album mit einem versierten Produzenten voller eingängiger Melodien machen und weniger spacige oder hypnotische Klangabenteuer. Sanft federnd, nicht allzu schnell sind die Songs, gut zum Mitwippen, fast Richtung Lovers Rock. Hier mal eine Mundharmonika und dort eine Melodica sowie meistens der gleiche Beat. Interessanterweise ist der Titel „Safe from Harm“ von Massive Attack gleichzeitig derjenige, bei dem sich Sherwood am ehesten etwas mit Stereowanderungen austobt, aber er lässt Andy genug Raum, um seinen Gesang zu entfalten. Ein nettes Album, jedoch ohne nennenswerte Überraschungen.
Flora Purim – „If You Will“
Strut Records
Brasilien, US / Brazil Jazz
Lange hat man nichts von Flora Purim, einst zur besten Jazzsängerin im downbeat gekürt, und ihrem Mann, Perkussionsgenie Airto Moreira, gehört und man hatte den Eindruck, beide hätten sich zur Ruhe gesetzt. Immerhin sind sie inzwischen auch um die 80 Jahre alt. Jetzt veröffentlicht die Brasilianerin nach 15 Jahren wieder ein Studioalbum und Airto wie Tochter Diana Purim sind dabei. Purims Solo-Alben waren oft von Balladen geprägt, ihre Fähigkeiten zu abenteuerlichen Vokalimprovisationen lebte sie eher in den gemeinsamen Stücken mit Airto aus. In den 1990ern gründeten beide ihre Band „Fourth World“, von der Gitarrist José Neto hier wieder dabei ist. Damals probierten sich Flora und Airto ebenso in der Clubmusic-Szene aus. Ein bisschen von all dem steckt im neuen Album drin, wie auch alte Einflüsse. Titelsong „If You Will“ wird z. B. von Tochter Diana gesungen, hat aber mit Floras Beiwerk eher die Stimmung der Chorsätze von Sergio Mendes‘ Brazil ‘66. Auch „Dandara“ erinnert im Vokalarrangement an Bossa Nova-Vokalgruppen wie Quarteto em Cy und MPB-4. Für die alten Fans sind der Chick Corea-Klassiker „500 Miles High“ drauf oder „This Is Me“, welches an die Zeit erinnert, als George Duke für den Funktouch bei Flora und Airto sorgte. Airtos Einfluss auf den Sound des Albums ist eher dezent, allerdings sind textlose Gesangsstücke wie „Newspaper Girl“ mehrfach vorhanden, ohne dass dabei Flora allerdings ihre Improvisationskünste so intensiv wie früher einsetzt. Insgesamt kein allzu gewagtes, aber auch kein schlechtes Comeback und man darf auf zwei neue geplante Alben von Airto mit ihr gespannt sein.
Luah – „Movimento“
Ladies & Ladys
Deutschland / Crossover mit Bossa-Nova
Einen ungewöhnlichen und vielfältigen Sound präsentiert das Kölner Musikerinnen-Trio Luah. Er wirkt wie ein Kaleidoskop, in dem neben Pop, Blues, rockigen oder orientalischen Klängen auch brasilianische Einflüsse vorkommen. Entsprechend singt das Trio auf Portugiesisch und Englisch. Zumeist umflirren den Hörer sanfte Stimmen wie ein feines Gespinst, zu dem die sparsame Instrumentierung (Ukulele, Gitarren, Mandoline, Glockenspiel, Synthesizer) passt. Die drei Musikerinnen brauchen wenig, um zu verzaubern. Dabei trägt vor allem ihr Satzgesang die Musik. Immer wieder geben sie den Songs eine eigene Note, sei es durch ungewöhnliche Vokalismen oder kurze, unverbrauchte elektronische Klänge. Die Stimmung kann aber auch wechseln zwischen zart und rau, intim und experimentell. Ihr Stück „Saudade“ beginnt beispielsweise mit Klangtupfern, fast einem Vogelgesang ähnelnd, aus dem sich die Melodie hervorschält, dann ergeben sich gemeinsame Vokalimprovisationen. Einerseits erinnert das Konzept etwas an das Südtiroler Frauentrio Ganes, jedoch mit ganz anderen stilistischen Einflüssen. Zeitgemäßer Folkpop.