Alle zwei Monate werden an dieser Stelle drei neue Alben aus der lateinamerikanischen Musikszene in unserer Serie Latin Music News vorgestellt. Diesmal mit Musik aus Argentinien, Kuba und Brasilien.
Quadro Nuevo – „Lieben Sie Tango?“
Steinbach Sprechende Bücher, GLM
Argentinien / Tango, Hörbuch
Das bekannte bayrische Weltmusik-Quartett Quadro Nuevo (hier mit einem Pianisten verstärkt) hat schon lange Tangos im Repertoire. Der generelle Ansatz der Gruppe ließ ihre Tangos jedoch meist zu einer Art Kuschel-Tango geraten. Das ist der Band durchaus bewusst gewesen. Sie drückt es hier nur anders aus: „Zu europäisch, zu jazzig, zu flamenco-lastig“ seien ihre Tangos. Daher suchte sie nun die Inspiration über den authentischen Tango-Klang in Buenos Aires. Da kommt natürlich die Frage auf: Geht dies überhaupt, dass eine Stadt Musiker inspiriert? Und ist Buenos Aires überhaupt noch die Tango-Metropole von einst? Immerhin, es gibt Momente, wo Quadro Nuevo in diesem feature-artigen Hörbuch den musikalischen Einfluss nachvollziehbar macht, etwa wenn die Band in einer Bar eine äußerst kraftvoll spielende Truppe hört und diese Herangehensweise bei der nächsten Probe gleich aufnimmt.
Die Idee einer musikalischen Reisedokumentation hätte zu einem auditiven Promotiontext für die Band werden können, aber das wurde es zum Glück nicht. Quadro Nuevo geht ehrlich mit sich selbst um. Auch kritische Anmerkungen kommen auf: In den Straßen von Buenos Aires würde der Tango-Tanz nur noch für Touristen aufgeführt. Und es herrsche eine tiefe Kluft zwischen traditionellem und modernem Tango. Das Hörbuch ist zudem audiophil gemixt. Original-Töne, Probengespräche, Interviews, Erzählungen, Geräusche und Musik verweben sich zu einem anspruchsvollen Hörspiel. So wird etwa die Geschichte des europäischen Tangos als zufälliges Kneipengespräch mit Musikbeispielen vom Handy vermittelt. Immer wieder kommen argentinische Tänzer und Musiker zu Wort, vor denen die Band ihren Tango dann auch mal testen darf. Klar kommt ihr Tango Bajuwaro gut an. Der Tango darf heute schließlich alles.
Dass manche Darstellung nicht ganz frei von Klischees und Mythen ist, wie etwa der etwas zu gewollt beschriebene Zusammenhang von Leidenschaft im Tango und den besonderen Bedingungen der Prostitution in Buenos Aires, mag man als zugestandene Schwärmerei verzeihen. Immerhin hat Quadro Nuevo eine Dokumentation geschaffen, die den Einfluss einer Stadt auf musikalische Gestaltung so hautnah vermittelt, wie es bisher selten zu hören war.
Omara Portuondo – „Magia Negra“
World Village, harmonia mundi
Kuba / Son
Omara Portuondo ist die hochverehrte Grande Dame der kubanischen Musik (und einzige Überlebende des Buena Vista Social Clubs), weshalb man nicht unbedingt etwas tun sollte, um diesen Nimbus zu zerstören. Ihr Debut-Album von 1958 „Magia Negra“ hat sie nun mit einem Quartett neu eingespielt. Bei allem Respekt vor ihrer Karriere und Toleranz gegenüber im Alter nachlassenden Stimmen muss man jedoch feststellen: Das Album plätschert belanglos vor sich hin und Portuondos Stimme hat an Intensität verloren. Es bleibt lediglich ein theatralischer Gestus übrig. Zudem hat man sie auch noch unsinnigerweise zurückgemischt, vielleicht in der Annahme, dass stimmliche Schwächen so nicht auffallen. Bei bekannten Titeln wie „Besame Mucho“, die Emotionalität geradezu herausfordern, verkommt der Klassiker fast zu einem Murmeln. Und Duke Ellingtons „Caravan“ ist derart übertrieben auf kubanisch arrangiert, dass Portuondos Gesang regelrecht dagegen ankämpfen muss. Selbst Gaststars wie Ivan Lins oder Rapper El Micha sind entweder unauffällig oder deplatziert. Da kommt der Verdacht auf, mit einer Legende Kasse machen zu wollen, selbst wenn man sie dabei zerstört.
Badi Assad – „Love And Other Manias“
o-Tone music, Soulfood
Brasilien / Alternative, MPB
Wer Badi Assad von ihrer letzten DVD her kennt, wird die Brasilianerin als eine der virtuosesten Gitarristinnen und auch Sängerinnen in Erinnerung haben, die es derzeit gibt. Auf ihrer letzten CD „Wonderland“ vor immerhin acht Jahren hingegen zeigte sie aber schon, dass ihre stilistischen Interessen wesentlich breiter sind als ihr Image es vermuten lässt. Mit „Love And Other Manias“ geht sie nun noch einen Schritt weiter. Ihre akustische Gitarre ist hier nur Beiwerk. Nicht die Gitarristin, sondern die Komponistin, Sängerin und Texterin steht hier im Mittelpunkt. Schon im Opener überrascht sie mit einem vertrackten Rhythmus und Bläsern. Eine Nummer, die auch zu den legendären Rockern von Os Mutantes hätte passen können. Und spätestens im zweiten Stück voller harscher Gitarren und Klängen eines Digital-Weckers kommt einem die Idee, ob Badi Assad vielleicht ausprobiert, in der brasilianischen Alternative Rock-Szene Anerkennung zu finden. Doch dann nimmt das Album wieder andere Verläufe. Mal erinnert sie an Marisa Monte, dann an Chico César. Ihr Gesang strahlt zumindest immer unbändige Energie und Fröhlichkeit aus. Da passt dann auch mal ein Reggae. Am stärksten aber sind ihre Balladen, die sehr intim klingen und manchmal durch sanfte elektronische Klänge komplettiert werden. Kaum hat man sich daran gewöhnt, weckt sie einen mit psychedelischen Sounds, dramatischem Gesang und einem Schuss Britpop. Insofern ist dies ein Album voller Kontraste und musikalischer Vielfalt, die sich weniger in stilistischem Crossover als in musikalischen Skizzen findet. Ein Album, das ausprobiert und mit Assads einseitigem Image aufräumt. Die Gitarren-Afficionados werden sich wundern, aber warum sollte eine gute Gitarristin nicht plötzlich eine interessante Songwriterin werden können?