Die Kompilation „Foursider“ des erfolgreichsten brasilianischen Musikers Sérgio Mendes gehört unbedingt in unsere Reihe Klassiker-Alben aus Lateinamerika.
Sérgio Mendes & Brasil ’66 – „Foursider“
Maritaca (Tangara), A&M / 1972
Brasilien / Bossa Nova, Pop
Sérgio Mendes war der erste Brasilianer, der in den 1960er Jahren neben Tom Jobim mit seinem „Girl From Ipanema“ mit brasilianischer Musik internationale Hits hatte. Seine Mischung aus Bossa Nova, MPB, Jazz und aktuellen Popsongs funktioniert bis heute. Da man seiner Bedeutung für die zweite Hälfte der 1960er Jahre am ehesten über seine Hits nachvollziehen kann, ist nicht ein Original-Album, sondern diese Kompilation empfehlenswert, die seine wichtigen Hits mit der Band Brasil ’66 enthält. Sein wichtigster, „Mas Que Nada“, ist der Opener, ein Klassiker, den Mendes mehrfach neu eingespielt hat und auch mehrfach zum Hit machte, insbesondere 2006 mit Rap-Einlage und Beteiligung der Black Eyed Peas. Ursprünglich war dies auch noch ein Hit von Jorge Ben. Insgesamt ist das wohl ein einmaliger Vorgang.
Mendes war bis dahin ein eher mittelmäßig erfolgreicher Jazzmusiker. Herb Alpert verpasste ihm dann die Idee, es mit englischsprachigen Texten, Popsongs und Sängerinnen im Stil der heute fast vergessenen brasilianischen Gesangsgruppen zu versuchen. Lani Hall, Bibi Vogel, Janis Hansen, Karen Philipp oder Mendes Ehefrau Gracinha Leporace waren die wunderbaren Vokalistinnen, die bei Brasil ’66 im Laufe der Jahre zu hören waren. Ihr Stil hat bis heute Sängerinnen wie Sabrinha Malheiros beeinflusst. Mendes schaffte es mit dieser Mischung, der bis heute erfolgreichste brasilianische Musiker aller Zeiten zu sein. Dabei steht er eher als Arrangeur, denn als Musiker im Mittelpunkt. Er hat ein Händchen, auf seinen Alben die Besten der Besten für seine Zwecke zu engagieren, sei es Carlinhos Brown, Gilberto Gil oder auch mal Zucchero. Mendes blieb immer neuen Entwicklungen verbunden, sei es im Easy Listening, Pop, Hip Hop, R & B, Jazz oder Funk. Und er vergaß auch nicht, trotzdem seine Karriere vorwiegend über die USA stattfindet, immer brasilianische Titel und Musiker einzubinden.
Bei seinen Hits aus den Sechzigern merkt man bei Mendes‘ Klavierspiel etwas den Einfluss des damals angesagten Soul Jazzers Ramsey Lewis. Bossa Nova-Klassiker wie der „One Note Samba“ sind wesentlich temporeicher und lebhafter als das Original arrangiert. Manches erinnert auch an die Chor-Sound-Hits aus dem Musical „Hair“, wie sie damals etwa von The 5th Dimension erfolgreich gesungen wurden. Mendes hatte eben immer ein Ohr am Zeitgeist.
Die meisten Songs sind Covers. Aus „Sittin‘ At The Dock Of The Bay“ von Otis Redding macht Mendes eine wunderbare Soul Jazz-Nummer, sehr atmosphärisch, aber nicht unbedingt brasilianisch. „With A Little Help From My Friends“ der Beatles ist fast eine Pioniertat für das Einbringen von Latin-Rhythmen in zunächst eher ungeeignet erscheinenden Songs. Streicher setzte Mendes meist sehr schwebend ein. Bei Paul McCartneys „The Fool On The Hill“ wird zum Schluss ein langgezogener Ton über mehrere Takte hinweg gesungen, während kontrapunktisch Flöte und Trompeten sich abwechseln. Ein Höhepunkt des Albums. Auch einige brasilianische Klassiker sind mit drauf wie Jorge Bens „Pais Tropical“. Zum Schluss zeigt Mendes, dass er auch rituelle brasilianische Musik in sein Konzept einbinden konnte. Für die Beat-Generation waren die Aufnahmen oft die Ersterfahrungen mit brasilianischer Musik.