Das deutsche Lateinamerika-Magazin

 
 
Alben

Klassiker-DVD aus Lateinamerika: Konzert von Badi Assad

Badi Assad – DVD „Badi Assad“

Ein neuer Beitrag in unserer Reihe Klassiker-Alben aus Lateinamerika: Diesmal die DVD eines Konzerts von Badi Assad mit 15 ihrer Lieblingsstücke.

Badi Assad – DVD „Badi Assad“

Badi Assad – DVD „Badi Assad“

Flowfish Records, Broken Silence (DVD) / 2012
Brasilien / Akustische Gitarrenmusik

Ihr Name steht ganz oben auf der Liste, wenn es in der Welt der akustischen Gitarrenmusik um Frauen geht. Zu Badi Assads atemberaubender Spieltechnik gehört aber auch ihre Vokalartistik und ihre Fähigkeit, brasilianische Musik mit Klassik, Jazz, Avantgarde und Pop fast unmerklich zu verbinden. Die Brasilianerin spielen zu sehen, ist ein Erlebnis und mit dieser DVD kann man Assads Spielkunst erst so richtig würdigen.

Badi Assad spielt auf der gleichnamigen DVD solo in arrangierten Bühnenbildern ihre 15 Lieblingsstücke aus den ersten 20 Jahren ihrer Karriere. Gefilmt hat diese Studio-Performance Rodrigo Assad, der Sohn ihres ebenso als Gitarrist bekannten Bruders Sergio. Das Musikvideo hält gekonnt die Waage zwischen kreativer Optik und Konzentration auf die Musik. Das erste Drittel, gefilmt in einem verlassenen Holzhausambiente, zeigt gleich Assads Besonderheiten. Sie spielt zu Beginn bloß mit der linken Hand, während sie gleichzeitig mit rechts einen Shaker schüttelt. Immer wieder singt sie im Weiteren perkussiv mit und setzt Flageoletttöne ein.

Bei den vielen genialen Gitarristen Brasiliens kann sie als eine der ganz wenigen Frauen in der ersten Liga locker mitmischen. Doch fällt es andererseits schwer, sie mit Egberto Gismonti oder Yamandu Costa zu vergleichen. Trotz ähnlichen spieltechnischen Niveaus hat sie ein völlig anderes Konzept. Schon derart artifiziell inszenierte Musikvideos kämen für die Herren wohl nie infrage. Sie singt auch mal ein Stück von Björk und hatte einen Top Ten-Hit in Spanien, bedient also nicht nur das Publikum gitarristischer Virtuositätsfanatiker. Gesanglich ist sie außerdem mindestens genauso bedeutsam. In „Vrap“ baut sie das hallende Schreien von Urwaldvögeln ein, fiepst mit nasalen Obertönen, knurrt, scattet, vermengt Bodyperkussion mit Guitar-Percussion und wirkt damit wie eine Melange aus dem brasilianischen Vokalakrobaten Filo Machado und der unvergesslichen Yma Sumac.

Im zweiten Teil betört sie uns hinter Gazevorhängen und Sternchenleuchten mit dem Nascimento-Klassiker „Ponta De Areia“. Jetzt sind eher Balladen angesagt. Immer wieder mischt sie sinnliche Flageoletttöne ein. Schade, dass die Kamera das Handspiel nur selten genau einfängt oder soll ihr Spiel ein Geheimnis bleiben? Ihr „Ondas“ fängt mit Windgeräuschen an, sie schnalzt mit der Zunge, imitiert Echos beim Singen. Eine Meisterleistung, bei der man nicht weiß, ob man mehr ihren Gesang oder ihre Gitarrenkunst anerkennen soll. Doch dann schwenkt die Bewunderung im nächsten Stück „The Being Between“ wieder zur Gitarre hin. Oder ist es etwa eine Harfe? Assad hat einen Drumstick zwischen die Saiten geschoben und zupft nun beidseitig. Chico Buarques „Joana Francesca“ hat sie dann wieder fast wie für Freunde der Klassik eingespielt.

In der dritten Szenerie steht Badi Assad in einer Art kubistischen Musikbühne. Beim Baiao-Klassiker „Asa Branca“ von Luis Gonzaga fügt sie eine eigene Rhythmik ein. Das nennt man interpretieren und nicht covern. In diesem Teil ist der Liedcharakter der Stücke stärker im Vordergrund. Und in „Vacilao“ brennt sie noch mal ein perkussives Feuerwerk ab. Für Freunde virtuoser und unkonventioneller Spielkunst auf der Gitarre ist die DVD eine Sternstunde. Wer vielleicht nur eine gute Bossa Nova-Sängerin erwartet, für den dürften die Aufnahmen eigentlich sogar eine Offenbarung sein.

Article written by:

Hans-Jürgen Lenhart schreibt als regelmäßiger Gastautor für das deutsche Lateinamerika-Magazin Latin-Mag. Er ist Musikjournalist und seit über 20 Jahren Experte für Latin Music. In der Artikelserie Latin Music News berichtet er alle zwei Monate über Neuerscheinungen in der lateinamerikanischen Musikszene.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert