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Latin Music News #18 – Neue lateinamerikanische Musik im Sommer 2017

Hamilton De Holanda Quinteto – „Casa De Bituca – The Music Of Milton Nascimento“

Was gibt es Neues in der lateinamerikanischen Musik-Szene? Ein paar wenige Neuigkeiten kommen im durch alle Genres bekannten Sommerloch aus Kuba, Kolumbien und Brasilien…

Hamilton De Holanda Quinteto – „Casa De Bituca – The Music Of Milton Nascimento“

Hamilton De Holanda Quinteto – „Casa De Bituca – The Music Of Milton Nascimento“CD+DVD
Brasilien / Jazz

Der brasilianische Bandolim-Spieler Hamilton de Holanda zeigt sich in letzter Zeit äußerst produktiv, ohne dabei im Geringsten an Qualität einzubüßen. Nach seiner Hommage an Chico Buarque hat er jetzt einen weiteren brasilianischen Großmeister im Visier: Milton Nascimento. Anlass dürfte dessen 75. Geburtstag im Oktober 2017 sein. De Holandas Musik ist oft sehr vibrierend und von atemberaubendem Tempo geprägt, die von Nascimento eher elegisch, schwebend und melancholisch. Da durfte man gespannt sein, ob das zusammenpasst. Das Ergebnis ist differenziert zu betrachten. Natürlich klingen Nascimentos Kompositionen anders in der Besetzung mit u. a. Bandolim, Mundharmonika und Schlagzeug und meist ohne Gesang. Die Musik wirkt dadurch aber auch eigenständig und gibt nicht vor, wie Instrumentaltracks der Nascimento-Stücke erscheinen zu wollen. Wenn De Holanda in sein typisches Spiel verfällt, entfernt er sich durchaus weit von der besonderen Atmosphäre der Musik Nascimentos. Insbesondere wirkt dabei das Schlagzeug manchmal polternd. An anderer Stelle lässt sich De Holanda auf die Welt des berühmten Sängers ein und gewinnt dadurch gleich eine neue Klangwelt hinzu. Eine Sanftheit, Melodik und Melancholie kommt so bei De Holanda zum Vorschein, die man bisher seltener bei ihm wahrnehmen konnte. Weniger quirlig und langsamer im Spiel, auch mal wie bei Nascimento auch öfter zu hören, einen Kinderchor einbauend, öffnet sich De Holanda neuen Ideen und gewinnt dabei. Zwar singt Nascimento bei zwei Stücken mit, dennoch kommen auch andere Sänger zum Zuge: Samba-Legende Alcione und De Holanda selbst. Das gibt den Songs dann aber einen völlig anderen, sehr ungewohnten Charakter. Als beruhigender Gegenpol zur Bandolim fungiert die eher dezent wirkende Mundharmonika. Am Ende ist man überrascht wie unterschiedlich Milton Nascimentos Musik in der Hand von Kollegen klingen kann, insbesondere weil sich De Holanda nicht unbedingt immer nach Nascimento anhören wollte. Der Schwerpunkt der Lieder liegt auf dem Frühwerk Nascimentos und der „Clube De Esquinas“-Phase.

Havana Maestros – „Made In Cuba“

Havana Maestros – „Made In Cuba“Warner Music International, Warner Music
Kuba / Remixes

Der kubanischen Musik tut es gewiss manchmal ganz gut, einen Kick von außen zu bekommen. Immer nur Buena Vista rauf und runter kann auch langweilig werden. Insofern ist es keine schlechte Idee, sich mal an kubanischen Versionen von Welthits verschiedener Jahrzehnte zu wagen, dabei aber die originalen Stimmen zu belassen. Das geht auf „Made In Cuba“ von Otis Reddings „(Sittin‘ On) The Dock Of The Bay“ bis „Airplanes“ von B.O.B & Hayley Williams, also von Oldie-Balladen bis Hip Hop-Nummern. Die Produzenten Frank und Christian Berman sind dabei geschickt vorgegangen, haben sich gute kubanische Musiker genommen und renommierte Arrangeure wie Emilio Vega und Harold López-Nussa. Und diese haben genau hingehört und die Arrangements und die Abmischung so passend gemacht, als hätte beides schon immer zusammengehört. Trotzdem stellt sich die Frage, ob es auch gelungen ist. Die Antwort ist schwierig. Generell sind die hier präsentierten kubanischen Stilelemente wohl ausnahmslos als traditionell zu bezeichnen, weswegen die älteren Hits allein vom gefühlsbetonteren Gesangsstil früherer Zeiten her besser dazu passen. So hat Ben E. King bei seinem 1964er-Hit „Stand By Me“ schon immer einen gefühlten Latin-Touch drin gehabt (Bass, Schaper und Triangel bilden die Basis des Songs.) Auch bei Dionne Warwicks „I Say A Little Prayer To You“ klingt die klare und präsente Stimme der Sängerin dem gesanglichen Ausdruck spanischsprachiger Lieder nicht unähnlich. Wohingegen das vor Stimmverfremdungen wie Autotune usw. nur so strotzende „Whatcha Say“ des amerikanischen R&B-Sängers Jason Derulo genau das Gegenteil davon darstellt und den Eindruck vermittelt, dass man aus jedem Song und jedem Musikstil gute Latinstücke machen könne und die Vorlage letztlich egal sei. Rap wiederum kann man mit Latinrhythmen gut zusammenbringen, weil Rap eben ein rhythmischer Gesangsstil ist. Solche Experimente sind aber nicht neu. Die Berman Brüder haben das selbst 2006 auf „Rhythms Del Mundo“ schon mal gemacht und es gab bereits etliche Alben mit Bossa Nova-Versionen von Disco-Hits, die durchaus gelungen waren. Der Effekt ist bei dieser Art von Crossover-Mixturen meist der gleiche: Je nach Konsumentenalter gefällt einem diese oder jene Hit-Version am besten und man findet sie witzig, originell und brauchbar, aber eben nicht alle. Interessanterweise gibt es auf dem Album drei Stücke, die von der begleitenden Allstar Band, den Havana Maestros, ohne Bezug zu irgendwelchen Hits eingespielt wurden. Bei allem Respekt vor der nicht zu unterschätzenden Leistung der Arrangements der Songversionen: Im Vergleich zu den Hit-Covers wirken diese Stücke immer noch am überzeugendsten und natürlichsten.

La Chiva Gantiva – „Despegue“

La Chiva Gantiva – „Despegue“Flowfish Records, Broken Silence
Kolumbien, Belgien / Rock, Rap

Die aus Brüssel stammende Band vereint Musiker aus Kolumbien, Belgien, Vietnam und Chile. Derart zusammengesetzt und von Europa aus agierend, haben solche Gruppen oft einen Sound, der ein entsprechender Cocktail aus allem Möglichen ist. Ein rappender Sänger zu harten rockigen Riffs, da wundert man sich fast, dass da noch ein Latin-Feeling durchwirkt. Ist was für Freunde energetischer Musik.

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Hans-Jürgen Lenhart schreibt als regelmäßiger Gastautor für das deutsche Lateinamerika-Magazin Latin-Mag. Er ist Musikjournalist und seit über 20 Jahren Experte für Latin Music. In der Artikelserie Latin Music News berichtet er alle zwei Monate über Neuerscheinungen in der lateinamerikanischen Musikszene.

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