Das deutsche Lateinamerika-Magazin

 
 
Konzerte

Xixa – Cumbia auf psychedelisch

Konzert am 30.04.2016 im Hafen 2, Offenbach am Main

Mittendrin klingt Xixa, als wäre gerade ein Ufo mit wimmernden Geräuschen in der Wüste notgelandet. Ein Alien wankt aus dem gecrashten Raumschiff und kämpft sich durch den aufkommenden Sandsturm, der einen unbändigen Lärm verursacht. In der Ferne sieht er Lichter – ein Haus, aus dem merkwürdige Töne dringen. Dort ist gerade Tanzabend und es wird Chicha gespielt, eine fröhlich klingende Abart der Cumbia, die in den 1960ern in Peru aufkam, als die Folkloregruppen dort sich elektrifizierten und Elemente der Rockinstrumentalgruppen und Surfbands mit aufnahmen. Der Alien dürfte sich ob der Klänge wundern, der Zuschauer in Offenbach auch, denn Xixa spielen zwar Cumbia-Rhythmen, lassen sich aber nicht vom derzeitigen Hype um diese Musik vereinnahmen. Kein Wunder. Die Frontmänner Brian Lopez und Gabriel Sullivan kommen aus der Alternative Americana/Wüstenrock-Legende Giant Sand, sind auch mit Calexico verbunden und sie versetzen Chicha mit kantigem Rock sowie einer düsteren Gothic-Stimmung. Die Band lässt sich nur im Gegenlicht beleuchten und steht im dunklen Django-Outfit da. Meist beginnen die Stücke mit spacigen Klängen, um urplötzlich in den heiteren Chicha-Rhythmus zu verfallen, der im Laufe des Stückes zunehmend von den noisigen Gitarren überlagert wird. Die Songs können auch romantisch beginnen und dennoch in psychedelischen Klangkaskaden enden. Es ist faszinierend, wie hier zwei völlig konträre Stimmungen miteinander verbunden werden: schunkelige Latin-Partymusik und krachiger Wüstenrock. Aber vielleicht passt das genau auf ihre Heimatstadt Tucson/Arizona im Grenzgebiet zu Mexiko. Wo Drogenhandel und illegale Einwanderung Alltag sind, Verlorenheit, Staub und Hitze auch eine Rolle spielen, ist es nur konsequent, dass eine Band, die amerikanisch-mexikanische Wurzeln hat, jubilierende Latinomusik gewaltig düster einfärbt. Nur so bleiben Chicha und Cumbia in ihrer Weiterentwicklung nicht nur den Remixern und der Hüpfmusik überlassen.

Bei Giant Sand mischten Lopez und Sullivan immer mal Chicha-Klassiker mit großem Erfolg ins Repertoire. Daraufhin gründeten sie die Chicha-Coverband Chicha Dust. Einiges davon spielt Xixa noch in den Zugaben. Da merkt man den Unterschied stimmungsmäßig schnell. Alle müssen gleich so was wie „Ale-lo-ley ale-lo-le“ mitsingen. Doch ihnen genügte diese Rolle nicht. Kein Wunder, wer auch bei Giant Sand spielt, hat das Sperrige im Blut. Aber das ist eben nicht alles. Naive Melodien auf der Farfisa-Orgel und Twang-Gitarren à la „Ghostriders In The Sky“ sind inbegriffen. Selten, dass eine Band helle und dunkle Stimmungen so gewagt miteinander verknüpft.

Bleibt noch die Vorgruppe The Harpoonist and The Axe Murder zu erwähnen, ein kanadisches Blues-Duo, das wie eine Art beat-betonte Wiedergeburt von Sonny Terry & Brownie McGhee wirkt. Druckvoll, multiinstrumental, eine echte Two-Man-Band.

Article written by:

Hans-Jürgen Lenhart schreibt als regelmäßiger Gastautor für das deutsche Lateinamerika-Magazin Latin-Mag. Er ist Musikjournalist und seit über 20 Jahren Experte für Latin Music. In der Artikelserie Latin Music News berichtet er alle zwei Monate über Neuerscheinungen in der lateinamerikanischen Musikszene.

1 Comment

  1. DustTone

    Ich fand leider den Sound ganz schlimm. Ein permanentes Tieffrequenz-Gewummer (Bass, Bassdrumm und Stand-Tom) und eine uebertriebene Lautstärke haben mir das Konzert vermisst.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert